Die heutige Sternwarte des Ratsgymnasiums Minden befindet sich auf dem ehemaligen Destillerieturm der Strothmannschen Kornbrennerei. Die Idee einer Sternwarte für die Schule hatte der damalige Physik- und Mathematiklehrer Herr Papenbrock im Jahre 1983, da der Turm auf seinem alltäglichen Weg zur Schule lag. Als bekannt wurde, dass der Turm Ende 1983 in städtischen Besitz überging, setzte man die Planungen in die Tat um.
Das anfängliche Problem der enormen Kosten einer maschinell hergestellten Kuppel wurde durch die Idee einer selbstgebauten Kuppel gelöst. Der Förderverein des Ratsgymnasiums wurde auf das Projekt aufmerksam. Erste Pläne und Modelle ließen ihn schnell überzeugen, die Kosten zu übernehmen. Anfang 1983 wurde der Turm zum ersten Mal besichtigt und vermessen und ein erstes Modell der Kuppel wurde aus Styropor angefertigt. Am 19. Oktober 1983 fiel der Startschuss. Die Stützen des Projekts waren Herr Eberhardt, ein Schülervater und Ingenieur, Herr Papenbrock, Lehrer und Herr Wilhelmy, der seine Tischlerei am Hartkortdamm zur Verfügung stellte. Dort wurde die Holzkonstruktion der Kuppel in Zusammenarbeit mit weiteren Lehrern und Schülern der damaligen Oberstufe fertiggestellt. Am 14. März 1984 wurde die Holzkonstruktion auf einem Kranwagen des städtischen Gartenbauamtes zum „Kunststoffverarbeitungsbetrieb Gerhard Weber“ am Mühlendamm transportiert. Dort bekam sie eine wasserdichte Kunststoffbeschichtung. Da die Konstruktion auf dem Kranwagen seitliche Überbreite hatte, musste sie von der örtlichen Polizei eskortiert werden.
Erste Arbeiten am ehemaligen Kornbrennturm begannen. Das Spitzdachhäuschen oben auf dem Turm wurde abgerissen, um eine 6,80 x 4 m große Plattform zu erhalten. Hier wurde ein Ring mit einem Durchmesser von 3,80 m gegossen und 1,50 m hoch gemauert. Darauf sollte später die Kuppel in einer Schiene mit Rollen laufen. Durch Unterstützung eines Motors sollte sie in alle Richtungen drehbar sein.
Die kunststoffbeschichtete Kuppel wurde in einer leeren Werkhalle am Fuß des Turmes zwischengelagert, wo sie einen Innenanstrich bekam. Außerdem montierte man vorne an ihr einen Schieber, der bis zu einem Winkel von 110° geöffnet werden kann, um einem später auf der Plattform montierten 8-Zoll Spiegelteleskop („C8“) einen optimalen Blick in den Himmel zu verschaffen. Am 23. Mai 1984 wurde die Kuppel mit einem „Riesenkran“ auf den Turm gehoben und fest auf der Laufschiene verankert. Der Rest der Plattform sollte für weitere Himmelsbeobachtungen mit kleinen Teleskopen ausgestattet werden.
Die darunter befindlichen Räume dienten als Aufenthalts- und Geräteräume. Im freien Zwischenraum neben dem Treppenaufstieg wurde ein „Foucaultpendel“ angebracht, welches die tägliche Drehung unseres Planeten veranschaulichte.
Um unabhängiger von Wetter und Wolken am Himmel zu sein, war ein Ausbau der Radioastronomie in Planung. Außerdem wollte man Beobachtungen per Funk mittels einer Satellitenschüssel ermöglichen, die einige Satelliten „anzapfen“ sollte, um ihnen „Wetterkartenmessungen zu entlocken“.[1] Die Kosten für die Einrichtung der Sternwarte wurden im Jahre 1984 auf insgesamt ca. 25000 – 30000 DM geschätzt.
Da Friedrich Wilhelm Bessel seinen 200. Geburtstag im Jahre 1984 hatte und die Idee zur Errichtung einer Sternwarte auf ihn zurückzuführen ist, bildete die Sternwarte des Ratsgymnasiums Minden einen Beitrag zum damaligen Besseljahr. Bessel wurde am
22. Juli 1784 in der Kampstraße in Minden geboren. Er besuchte das „Gymnasium Mindense“, soll jedoch wegen „Schwierigkeiten in Mathematik“ [2] die Schule wieder verlassen haben. Er gründete später die berühmte „Sternwarte der Universität Königsberg“.[3]
©Physik – Astro AG Ratsgymnasium Minden
Quellen:
Ratsgymnasium Minden Jahresbericht 1983/84 (Seiten 30-49)
[1] Ratsgymnasium Minden Jahresbericht 1983/84 (Seite 42)
[2] Ratsgymnasium Minden Jahresbericht 1983/84 (Seite 32)
[3] Ratsgymnasium Minden Jahresbericht 1983/84 (Seite 32)